Vergammelnde Bremsen

Spritsparen ist spätestens seit dem Oktober 1973 aktuell. Trotzdem vergammeln einem Fahrer, der konsequent kraftstoffsparend fährt, auch heute noch die Bremsen.

(english version)
Hintergrund: die Bremsen im PKW werden heute wie vor über 100 Jahren mit Luft gekühlt. Frederick W. Lanchester hat mit der GB190123500 einen Vorläufer der Scheibenbremse und mit der GB190009983 eine gezielte Luftkühlung von Motor und Bremse patentiert. Seitdem sind die Autos schneller und schwerer geworden, weshalb beim Bremsen mehr Hitze entsteht und vom Luftstrom abgeführt werden muss. Statt einer einzigen zentralen Bremse (wie in Lanchesters Patentschriften) befindet sich heute an jedem einzelnen Rad eine Bremse, die zur Kühlung sehr offen der Umgebungsluft ausgesetzt ist. Dreck und Wasser in der Umgebungsluft können die Oberflächen z.B. von Bremsscheiben schädigen. Bis 1973 war das kein Problem. Da war der Sprit billig, spritsparendes Fahren kein Thema, und durch häufiges Bremsen wurden Dreck und Ansätze von Rost abgeschliffen.

Doch mittlerweile werden PKW auf niedrige Verbrauchswerte getrimmt. Mittlerweile steht in ihren Bedienungsanleitungen, dass der Fahrer durch vorausschauendes Fahren Bremsen vermeiden soll.  Mittlerweile hat Audi einen Prädiktiven Effizienz Assistent entwickelt, ein Assistenzsystem, das den Fahrer in einer konsequent spritsparenden Fahrweise unterstützen soll. Dumm nur, dass bei einer konsequent spritsparenden Fahrweise die Bremsen weggammeln.

Um diesen blinden Fleck der Automobilindustrie zu erklären, möchte ich auf die Geschichte der Knautschzone hinweisen, und den brillanten Erfinder Béla Barényi würdigen. Barényi beendete die Epoche des Automobilbaus, in der Automobile nach einem schweren Unfall möglichst unbeschädigt an die Erben der getöteten Insassen vererbt wurden. Die Aufgabenstellung, den Fahrzeuginsassen bei Unfällen eine möglichst hohe Überlebenschance zu geben, stellte sich ab dem Jahr 1886 und der Schrift DE37435. Einen wesentlichen Beitrag zur Lösung dieser Aufgabe leistete Béla Barényi 1951 mit der DE854157, also der Erfindung der Knautschzone.

65 Jahre hat die Automobilindustrie zur Lösung dieser Aufgabe gebraucht! Und es ging dabei nicht nur um ein Problem der Insassen, sondern auch um ein Problem der Automobilindustrie. Offenkundig verhindert die Knautschzone eine Marktsättigung durch haltbare Automobile.

Es würde heute einen Fahrzeughersteller praktisch nichts kosten, in die Fahrzeugelektronik einen Warnmechanismus einzubauen, der vor drohender Korrosion der Bremsen warnt und den Fahrer zum „kräftigen Bremsen“ auffordert. Aber die Fahrzeughersteller machen das bisher nicht. Sie würden damit lediglich ein Problem des Fahrzeughalters lösen – aber den Umsatz von Automobilindustrie und Werkstätten senken.

So ein vorsätzliches Bremsen zum Abschleifen der Bremsoberflächen geht natürlich immer auf den Spritverbrauch. Aber die Fahrzeugelektronik sollte sehr viel genauer als der Fahrer abschätzen können wie oft und wie stark so ein vorsätzliches Bremsen erfolgen sollte. Ein Prädiktiver Effizienz Assistent, der nur für das Spritsparen zuständig ist und das Vergammeln der Bremsen ausser acht lässt, ist bizarr.

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