Angriff auf das Tor-Netzwerk

Betreiber des Kinderpornoportals „Elysium“ im Darknet sind kaum verurteilt, da soll neuer Straftatbestand „Anbieten von Leistungen zur Ermöglichung von Straftaten“ ins StGB, um endlich angemessen gegen Kinderpornoportale im Darknet vorgehen zu können.

Ermittlungserfolg im Tor-Netzwerk

(An Stelle des schlecht definierten Begriffs „Dark-Net“ wird im Folgenden der spezifischere und in der Sache vermutlich zutreffendere Begriff „TOR-Netzwerk “ verwendet – auch wenn der Begriff „Dark-Net“ die Berichterstattung dominiert)

Zum Limburger Urteil vom 7.03.2019 ist die Urteilsbegründung noch nicht veröffentlicht. Doch die Berichterstattung scheint eindeutig. Nirgendwo, nicht auf heise.de oder auf spiegel.de oder auf juris.de findet sich irgendein Hinweis, dass die Ermittlungen oder die juristische Behandlung durch eine unzureichende Gesetzeslage behindert oder gar gefährdet gewesen wäre. Man erfährt im Gegenteil, dass „Elysium“ lediglich ein halbes Jahr im Tor-Netzwerk aktiv war – von Dezember 2016 bis zur Zerschlagung durch die Polizei im Juni 2017. Man vergleiche diesen Ermittlungserfolg mit dem Dieselskandal, dessen kriminelles Geschehen sich über Jahre hinweg ungestraft unter den Augen staatlicher Kontrolleure entfaltete. Oder mit Cum/Cum bzw. Cum-Ex-Geschäften, also mit einem höchst strafwürdigen Treiben, das seit 1992 bekannt ist. Trotzdem liess der Gesetzgeber das asoziale Treiben zahlreicher Reicher bis mindestens 2012, also über mindestens zwei Jahrzehnte hinweg laufen. „Elysium“ beweist, dass der Staat mit vorhandenen Mitteln auch im Tor-Netzwerk Verbrechen verfolgen kann. Trotzdem hat der Bundrat am 15.03.2019 Härtere Strafen für das Anbieten illegaler Dienste im Darknet auf der Tagesordnung. Die Gesetzesinitiative mit dem angeblichen Ziel Darknet-Handelsplattformen abschalten und verfolgen geht auf das Land Nordrhein-Westfalen zurück. Die Welt schrieb im August 2018 zu dem Vorhaben: NRW will Waffen gegen Kriminelle im «Darknet» schärfen. Angeblich dient das Gesetzvorhaben also nicht dazu, gegen das Tor-Netzwerk als Ganzes vorzugehen. Doch der geplante Gesetzestext des neu zu schaffenden §126a lässt leider vieles offen. Der Rechtsanwalt Jens Ferner hat den Vorgang auf internet-strafrecht.com genauer analysiert und kommentiert abschliessend: „Ich bin insgesamt vorsichtig, aber der Verdacht, dass hier dem “Darknet” insgesamt der Hahn abgedreht wird liegt durchaus auf der Hand.“ Diese Befürchtung liegt nahe, denn im Bundesinnenministerium bläst man bereits zum

Angriff auf das Tor-Netzwerk

Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium Günter Krings hat am 22.02.2019 zum Angriff auf das Tor-Netzwerk geblasen. Er sagte sinngemäß, dass Deutschland kein totalitärer Überwachungsstaat sei und sich die Bürger deshalb vertrauensvoll in totale Überwachung fügen könnten. Deshalb bräuchten die Bürger das Tor-Netzwerk nicht. Die c‘t schrieb dazu im Editorial: Freiheit und Demokratie: „Es ist wieder einmal so weit, die Bundesregierung bläst zum nächsten Sturm auf unsere Freiheit: Diesmal soll das Darknet verboten werden“ Die taz schrieb im Beitrag Innenministerium will Darknet verbieten / Alles soll durchleuchtbar sein: „Kein Witz ist der fortgesetzte Versuch, das digitale Leben der Menschen jederzeit durchleuchtbar zu halten. Er fügt sich ein in eine Sicherheitspolitik, die Staatstrojaner einsetzen und Sicherheitslücken zur Überwachung ausnutzen will, sich gleichzeitig aber mit allen Mitteln gegen die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte wehrt und auf einem Polizeikongress partout nicht über rechtsextreme Netzwerke in der Exekutive reden möchte.“

Der Angriff auf das Tor-Netzwerk ist eine intellektuell extrem armselige Wiederholung eines altbekannten Themas aus den Crypto Wars. Es werden sich anscheinend immer wieder irgendwelche dummerhaftigen Poliker finden, um solchen Schrott aus der Mottenkiste zu fischen.

Klischees zur Vermarktung der Sicherheitsideologie

Folgender Screenshot von den Seiten des Bundesrats zeigt die Klischees, mit denen die Politik die geplante Sicherheitsgesetzgebung vermarkten will. Der Kapuzenpulli soll wohl Jugend verkörpern, und sparsames Kunstlicht symbolisiert vermutlich Kriminalität. Die abgebildete Person, bei Kunstlicht am Computer arbeitend, soll demnach einen jugendlichen Computerkrininellen darstellen. Das Alter der vier Haupttäter beim Kinderpornoportal „Elysium“ lag übrigens laut diesem Bericht auf heise.de zwischen 41 und 63 Jahren.

In was für einem Jahrhundert wird Kunstlicht als Symbol für Kriminalität verteufelt? Staatliche Akteure kämpfen gegen Grundrechte und brechen Gesetze bei Tageslicht. Bürger finden häufig erst nach Dämmerung Zeit zur Gegenwehr. Vor drei Jahrhunderten, im Zeitalter der Aufklärung, hatte Kunstlicht einen guten Ruf und galt als Symbol der Aufklärung selbst. Bei Kunstlicht lesende, schreibende, arbeitende Menschen wurden abgebildet um Bildung, Fleiß und Wohlstand darzustellen. Anbei beispielhaft ein paar Werke von Georges de La Tour, die auf wikimedia.org frei verfügbar sind:

Der Leviathan fordert immer neue Befugnisse

Mit den gezeigten Klischees soll eine Gesetzgebung vermarktet werden, deren Sinn von den Verantwortlichen viel zu wenig hinterfragt wird. Netzpolitik.org brachte das Schema bereits 2016 auf den Punkt: Bundesregierung: Keine Ahnung, wie derzeit im Netz ermittelt wird – aber trotzdem neue Befugnisse fordern. Mit dem einzigen Unterschied, dass es sich diesmal um eine Gesetzesinitiative eines Bundeslandes handelt. Eine Gesetzesinitiative, die einer Sicherheitsideologie entspringt, die sich längst von wichtigen Errungenschaften der Aufklärung abgewendet hat. Auch Wilhelm Frick hielt vor 80 Jahren mehr von Sicherheitsideologie als von den Errungenschaften der Aufklärung. Frick glaubte, Sicherheit sei ein höheres Gut als die in der Verfassung verankerten Grundrechte. Spätere Innenminister wie Hermann Höcherl oder Hans-Peter Friedrich folgten solchem Gedankengut bereitwillig. Im Beitrag bitte digitale Wohnungstüren nicht eintreten habe ich Parallelen zwischen diesen Sicherheitsideologen herausgearbeitet.

Fehlende Staatsterror-Ausnahmeklauseln

Wenn der Gesetzentwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes wie geplant verabschiedet wird, dann wird es in dem Übel möglicher Weise auch ein Gutes geben. Denn im Gesetzestext haben die Sicherheitsideologen anscheinend die Staatsterror-Ausnahmeklauseln vergessen. Also das Kleingedruckte, das aus dem Steuersäckel finanzierten Terror nicht als Terror gelten lässt. Das auch Beamte straffrei stellt, die durch ihre Tätigkeit Terroristen unterstützen. Das beispielsweise bei §91 StGB (Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) in Absatz 2 Nr. 2 steht, und sicherstellt, dass ein Beamter des Patentamtes „in Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten“ Anleitungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat straflos verbreitet. Vielleicht wird ja über diese Lücke Herr António Campinos fallen, Direktor des Europäischen Patentamts und damit wohl weltgrößter, zumindest Europas größter Verbreiter von Anleitungen zum Bombenbau. Ich bin jedenfalls sehr neugierig, wie sich dieses Gesetzgebungsverfahren so entwickelt.

In ganz Europa kämpfen Gesetzgeber gegen Grundrechte

„Da hat sich ganz schön was angesammelt: Ein Update aus dem Kampf gegen den Präventionsstaat in Deutschland und in Europa.“ verspricht der Beitrag Missing Link: Überwacht die Überwacher, oder: Klagen gegen den Präventionsstaat auf heise.de. Der Artikel gibt einen sehr lesenswerten Überblick über den ausgesprochen mühseligen Abwehrkampf gegen staatliche Übergriffe. Dieser Abwehrkampf ist zutiefst unfair, solange Ignoranten oder Verfassungsfeinde in den Parlamenten fürstlich dafür bezahlt werden, dass sie Schrottgesetze produzieren, die nach wenigen Jahren von einem Verfassungsgericht kassiert werden.

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