VW HV 2016: Pötsch spielt auf Zeit

Pötsch scheinen Anträge zu seiner Abwahl als Versammlungsleiter so gut zu gefallen, dass er 2016 gleich zwei davon zulässt.

„Sie sind der personifizierte Interessenkonflikt“ begründet Manfred Klein den von ihm sowie von Herrn Markus Dufner gestellten Antrag auf Ablehnung des Versammlungsleiters Pötsch. Trotz seiner engagierten Worte und guten Argumente wird sein Antrag abgelehnt, und zwar mit auffällig hoher Wahlbeteiligung. Für 272.625.645 Aktien werden gültige Stimmen abgegeben (= 92,39 % des eingetragenen Stammaktienkapitals), aber für Kleins Antrag stimmen nur 45.463 Aktien, also 0,02% (Quelle).

Damit ist zweifelsfrei und unmissverständlich geklärt, dass die überwältigende Mehrheit Herrn Pötsch nicht als Versammlungsleiter abwählen will. Das ist auch vollkommen plausibel, denn die meisten Aktionäre können es sicherlich nicht erwarten, endlich über die Aufarbeitung des Dieselskandals zu sprechen.

Indem für 92,39 % des eingetragenen Stammaktienkapitals bereits der Wille bekundet ist, Pötsch durch niemanden ersetzen zu wollen, ist insbesondere bekundet, ihn nicht durch einen anderen Aufsichtsrat ersetzen zu wollen

Damit ist beispielsweise auch bekundet, Pötsch nicht durch Herrn Wolfgang Porsche, nicht durch Stephan Weil und auch nicht durch Frau Babette Fröhlich ersetzen zu wollen.

Doch zu diesem Zeitpunkt sind auch hypothetische Spassanträge, Pötsch durch Barack Obama oder Alf vom Melmac ersetzen zu wollen inhaltlich beantwortet und wenn ihre (zeitaufwändige) Diskussion laut deutschem Aktienrecht zulässig ist, dann ist dieses Aktienrecht wohl suboptimal.

Es mag sein, dass es bei einem knappen Abstimmungsergebnis gegen den ersten Antrag unter bestimmten Annahmen hätte angemessen sein können, wenn Pötsch einen zweiten Antrag auf seine Absetzung zuliesse. Doch 99,98% zu 0,02% der gültigen Stimmen darf ein Versammungsleiter sicherlich nicht als knapp werten. Selbst wenn mittels Beam-Technologie jeder einzelne abwesende Aktionär noch zur Hauptversammlung geschafft würde, um den Willen der 7,61 % des eingetragenen Stammaktienkapitals zu erforschen, die beim ersten Antrag keine gültige Stimme abgegeben haben – was sollten diese 7,61 % ausrichten gegen die 92,37 %, die Pötsch nicht abwählen wollten?

Nachdem eindeutig geklärt ist, dass die Mehrheit der Aktionäre Herrn Pötsch als Versammlungsleiter behalten will, wiederholt der Aktionär Herr Weimann den Antrag von Klein und grenzt ihn dadurch ein, dass er Stephan Weil als Ersatz für Pötsch benennt. So nachvollziehbar der Wunsch des Herrn Weimann auch ist, Herrn Pötsch ablösen zu lassen, so offensichtlich aussichtslos ist dieser Antrag. In einer Welt, in der keine Beam-Technologie zur Verfügung steht, um die abwesenden Aktionäre einzusammeln gilt folgende Abschätzung: Wenn 99,98% der Anwesenden dagegen sind, Pötsch abzulösen, dann können nur mehr als 99,98%% dagegen sein, Pötsch abzulösen und durch Stephan Weil zu ersetzen. Nicht jeder Gegner Pötschs ist für den niedersächsischen Ministerpräsidenten. Das ist einfache Mengenlehre.

Doch Pötsch scheint dieses Thema zu gefallen, denn er lässt den Antrag von Herrn Weinmann trotz seiner offensichtlichen Aussichtslosigkeit zur Diskussion zu und lässt auch darüber abstimmen. Weinmanns Antrag erhält nur 0,01% Zustimmung. Damit führt Pötsch in seiner Rolle als Versammlungsleiter den Kleinaktionären ein zweites Mal ihre Machtlosigkeit vor Augen. 

Der bizarre Vorgang wirkt wie eine vorsätzliche Verschwendung von Versammlungszeit, und ermöglicht Pötsch im späteren Verlauf die Redezeiten so weit zu drücken, dass den Rednern faktisch die Möglichkeit genommen wird, ihre Anliegen angemessen zum Ausdruck zu bringen.

Ich kann und will mir nicht vorstellen, dass das deutsche Aktienrecht 2016 ein derartiger Abfallhaufen ist, dass es einen Versammlungsleiter zwingt, einen derart aussichtslosen Antrag zur Diskussion stellen zu lassen wie denjenigen des Herrn Weimann. Ich habe im Nachgang der Hauptversammlung ein bekanntes Hamburger Nachrichtenmagazin kontaktiert, das sich für diesen Fall interessierte. Die Journalisten liessen ihn juristisch begutachten mit dem Ergebnis: Pötsch hat kein Gesetz gebrochen, indem er die Zeit der Hauptversammlung mit diesem aussichtslosen zweiten Antrag zu seiner Absetzung verschwendete. Das Nachrichtenmagazin sah deshalb von einer Berichterstattung in dieser Sache ab. Ist der Ruf erst einmal ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Volkswagen hat es durch ungezählte Skandale geschafft, die Öffentlichkeit abzustumpfen. Fehlverhalten unterhalb der Schwelle zur Kriminalität ist offenbar zu unspektakulär, als dass es in die Nachrichten käme. 

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