VW Aufsichtsrat Pötsch ist ehrlich und Schwarz ist Blau

Pötsch könnte ehrlich sein aber zu unfähig, um den Unterschied zwischen Schwarz und Blau zu erkennen. Doch das glaube ich nicht.

(english text, version française)
Ich vertraue Pötsch nicht mehr. Mein Wohlwollen gegenüber Volkswagen ist zutiefst erschüttert.

Auf der Hauptversammlung füllte ich selbstverständlich meine Stimmkarten mit dem blauen Stift aus, den ich beim Betreten der Versammlungsräume erhalten hatte und vertraute darauf, dass meine Stimmen ordnungsgemäß gezählt würden.

Die auf den Stimmkarten aufgedruckte Anleitung besagte zwar sinngemäß: „nur mit schwarzem Stift ausgefüllte Stimmkarten werden gezählt“ – aber das erschien mir zunächst nur wie eine weitere Panne. Wenn VW blaue Stifte an die Kleinaktionäre ausgeben liess, dann würde das wohl seine Richtigkeit haben. Ich kam nicht einmal auf die Idee, dass die Großaktionäre ja mit anderen Stiften ausgestattet sein könnten. Und dass Volkswagen vor den Augen der Weltöffentlichkeit betrügen könnte schien mir zu unmöglich, um überhaupt ernsthaft darüber nachzudenken.

Auch als ich endlich gegen 18:30 Gelegenheit habe vor dem Podium zu sprechen, und mit kurzer Vorlaufzeit meine Redezeit beginnt, glaube ich noch an Unfähigkeit von Seiten Pötschs und nicht an bösen Willen. Nach 8,5 Stunden Wartezeit, in denen mir jegliche Auskunft zum Zeitpunkt meines Aufrufs verweigert wurde, läuft plötzlich und unerwartet meine Redezeit. In der Hektik finde ich mein von 7 auf 3 Minuten zusammengestrichenes Redekonzept nicht in meiner Tasche. Im Stress versuche ich frei zu sprechen, zu improvisieren. Es gelingt mir nicht, mein drei Wochen im voraus ordnungsgemäss schriftlich angemeldetes Anliegen angemessen zum Ausdruck zu bringen. Ich fühle mich, als hätte Pötsch mir tückisch Knüppel zwischen die Beine geworfen. Doch mein Verstand will das nicht glauben, denn ich erkenne das Motiv zunächst nicht.

Cui Bono – wem sollte es nützen, wenn die Redner behindert würden? Erst am übernächsten Tag erkenne ich ein mögliches Motiv. Pötsch missachtete wohl die Rechte der Kleinaktionäre, um ihnen das Interesse an der Aussprache in Halle 3 zu nehmen.

„Menschen bewegen“ – und zwar von Halle 3, wo sie nur stören, zur Halle 2, wo sie als Konsumenten benötigt werden.

Pötsch gestaltete dazu den Diskussionsverlauf in Halle 3 noch langweiliger, noch erwartbarer als die Häppchen in Halle 2.

Zusammenfassung:

  • Volkswagen leidet unter zu viel Eigeninitiative seiner Mitarbeiter.
  • Pötsch ist kein Betrüger.
  • Schwarz ist Blau.

Stimmkarte
Die fotografierte Stimmkarte S1 ist laut Anleitung im Stimmblock der Abstimmung zum Tagesordnungspunkt 2 zugeordnet, auf den sich mein Gegenantrag bezieht –  entgegen der unten sichtbaren Anweisung mit blauem Stift ausgefüllt.

Laut Anweisung der Mitarbeiterin, die meinen Stimmenblock entgegennimmt, ist für TOP2 eine andere Stimmkarte zu verwenden. Schriftliche Korrekturen der fehlerhaften schriftlichen Anweisungen bekomme ich nicht. Am Eingang wurde jedem Kleinaktionär zwar eine große Tüte mit sehr viel bedrucktem Papier in die Hand gedrückt, aber keine Korrektur der angeblich fehlerhaften Anweisung. Ein sehr langer Tag liegt hinter mir. Der Stimmenblock wäre selbst mit korrekter Anleitung eine ausreichende Herausforderung.

Ich lasse mich von der freundlichen Mitarbeiterin beraten. Ich vertraue. Ich frage nach der Stiftfarbe. Nein, das sei alles in Ordnung. Anderen Aktionären sei das auch schon aufgefallen, aber das habe seine Richtigkeit. Klingt, als wäre der Widerspruch vorab niemandem von VW aufgefallen. Klingt glaubwürdig, passt ins Bild. Ich will nur noch nach Hause. Weg von diesem Elend bei Volkswagen.

Ich übergebe dieser Mitarbeiterin den mit blauem Stift ausgefüllten Stimmblock. Pötschs Zermürbungstaktik hat mich verändert. Pötsch hat mich in die Opposition getrieben. In jedem zur Wahl stehenden Punkt stimme ich gegen den Vorschlag der Verwaltung.

Drei Wochen zuvor war ich noch so naiv gewesen, dem Vorstandschef Matthias Müller ausdrücklich sein Vertrauen auszusprechen und in einem idealistisch- naiven Ton zu schreiben:
„Das dritte [Umwelt-] Ziel, Gesundheitsschutz, Unterpunkt: Reduzieren limitierter und nicht-limitierter Emissionen, ist durch den Dieselskandal in das Bewusstsein aller Beteiligten gerückt. Matthias Müller ist auf der Jahrespressekonferenz und Investorenkonferenz 2016 ausführlich hierauf eingegangen. Er hat mein Vertrauen, dass dieser Punkt verstanden ist und zukünftig angemessen gehandhabt wird.“ (Quelle)

Ob meine Stimmen gezählt werden weiss ich nicht. Pötsch wird es vermutlich wissen. Es sei denn, eine Handvoll Mitarbeiter hätte sich in Eigeninitiative einen Betrug ausgedacht, von dem die VW-Führung nichts wusste.

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