Erwin G

(Text vom November 1984)

Erwin G. hatte schlechte Laune, den ganzen Tag lang regnete es. Seine Eltern hatten ihn, wie er bereits gewohnt war, alleine gelassen, während sie langweilige Bekannte besuchten. Es war kalt. Er sah, ob alle Fenster geschlossen waren, und stellte alle Heizungen an. Es half nichts, die Kälte kam von innen. In der Schule war nichts Besonderes gewesen. Es war ein ganz normaler Freitag. Er wollte sich auf das Wochenende freuen. Es blieb kalt. Mit Heinz konnte er nicht spielen, der war mit seiner Schwester in der Stadt einkaufen. Er lauschte. Im Haus war nichts zu hören. Aus dem Fenster konnte man nichts sehen. Er schlief ein, träumte. Er war nicht mehr dick, er war, wie er immer sein wollte, er konnte tun, was er wollte, er verprügelte den Jungen, der ihn immer hänselte. Er hatte Macht über den Mitschüler, er war noch unglücklicher als vorher. Denn er war allein. Sein Kopf dröhnte, er tat alles automatisch, er hatte graues Haar. Er konnte es nicht aushalten und wollte fliehen, aber er wusste nicht wovor. Er flog und er konnte wieder denken. Er sah die Einkaufsstraße unter sich und die Menschen, wie armselige Ameisen. Er war glücklich, sich nicht an der sinnlosen Jagd nach sinnlosen Gütern zu beteiligen. Er hörte die Melodie des Lebens und war froh, nicht ebenso auszusehen wie die anderen. Die Menschen sahen ihn mitverzerrten Gesichtern.“ Unerhört, man darf nicht fliegen“ “ der hat ja rote Haare, gibt’s denn doch Hexen?“ „das ist öffentliche Ruhestörung, da könnte ja jeder kommen“ „holt ihn runter!“ Einer rief laut:“wie teuer ist das Fliegen?“, und winkte mit einem Tausender. Die Polizei wurde alarmiert, und die Feuerwehr kam mit ihrem größten Leiterwagen, doch als die Leiter ausgefahren war, flog er bereits über dem Meer. Die Marine wurde aufgeboten. Schließlich gelang es einem Hubschrauberpiloten, ihn in Sicherheit zu bringen. Der Pilot bekam darauf ein Orden, die Presse wälzte den Fall aus, die Wissenschaftler hatten keine Erklärung. Kürzlich wurde Erwin aus der Nervenheilanstalt als geheilt entlassen.

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