Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz

Die Geschichte der Erfurter Firma Topf & Söhne macht das Grauen des dritten Reiches anschaulich, denn diese Firma zeigte keine Skrupel, als die SS dort die Öfen für Auschwitz in Auftrag gab.

Zum Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz der Landeshauptstadt Erfurt gehört der hervorragende Internetauftritt topfundsoehne.de, auf dem die Firmengeschichte gründlich aufbereitet ist. Der Beitrag zur Wanderausstellung „Industrie und Holocaust“ erklärt, wie Topf & Söhne von der Brauereitechnik kommend schon vor der Nazizeit mit Krematorien einen neuen Markt auftat. Diese Darstellung ist sehr erschöpfend – trotzdem habe ich eine Patentrecherche durchgeführt, weil die Suche nach plakativen „Nazipatenten“ zu meinen Steckenpferden zählt. Ich suche also nach Patentdokumenten, die das Grauen des Nationalsozialismus auf den Punkt bringen. Im Grunde suche ich nach dem Patent auf die Gaskammer. Ich habe bisher vergebens gesucht, und bin leider auch bei Topf & Söhne nur bedingt fündig geworden. Das Patent auf die Gaskammer war nicht dabei. Aber dafür hat es das Patent DE861731 aus den 1950er Jahren in sich. [Überarbeitung 18.03.2020: ich bin fündig geworden und habe einen Absatz zu Dokument T58240 ergänzt.]

Patentrecherche Topf & Söhne

Topf & Söhne verfolgte eine ausgesprochen aktive Patentpolitik. Die folgende Auflistung ist also keineswegs vollständig.

  • AT1001B das österreichische Patent Nr. 1001 stammt von 1899 und ist damit das älteste Patent dieser Firma. Es geht dabei um eine zweihordige Darre, also um die Herstellung von Malz.  Entsprechend hoch ist der Sympathiewert bei Biertrinkern.
  • FR342043A dieses französische Patent stammt von 1904 und bezieht sich auf eine Feuerungseinrichtung (bzw. Details der mechanischen Brennstoffversorgung hierfür.)
  • AT34910B / US876756A das österreichische Patent und die inhaltlich vergleichbare US-amerikanische Patentanmeldung beziehen sich auf eine Dreihordendarre. Es geht also weiterhin um die Herstellung von Malz.
  • DE397858C Deutsches Patent aus den 1920er Jahren auf ein Verfahren zur Herstellung von Charaktermalz. Sympathisches Thema – da möchte man sich doch gleich ein feines Pale Ale einschenken!
  • DE493042C Deutsches Patent von 1930 auf eine Vorrichtung zum Nachverbrennen der Rückstände in Leichenverbrennungsöfen. Sind die Ofenbauer von Ausschwitz hier bereits in Kontakt mit der SS? In Anbetracht des Anmeldedatums im Jahr 1929 wohl eher nicht. Laut Wikipedia war die SS erst ab 1934 für Betrieb und Verwaltung von Konzentrationslagern, ab 1941 auch von Vernichtungslagern zuständig. Auch inhaltlich gibt es keine Berührung zum industrialisierten Massenmord. Zwar werden unmittelbar aufeinander folgende Einäscherungen thematisiert, aber dabei soll die Asche der Verstorbenen jeweils voneinander getrennt werden. Solche Details würden die SS in den 1940ern nicht interessiert haben.
  • DE659405C Deutsches Patent aus den 1930er Jahren auf eine Beschickungseinrichtung für Einäscherungsöfen.
  • DE861731 Deutsches Patent der Firma J. A. Topf & Soehne in Wiesbaden aus den 1950er Jahren auf ein Verfahren und Vorrichtung zur Verbrennung von Leichen, Kadavern und Teilen davon. Ernst Wolfgang Topf war in den Westen umgesiedelt und arbeitete weiter als Experte für Leichenverbrennung. Der Rest der Welt mag sich vorgenommen haben, dass Krematorien nie wieder für einen Massenmord missbraucht werden, Topf und sein Erfinder Martin Klettner haben sich offenbar vorgenommen, auf effiziente Art und Weise die notwendige Verbrennungstemperatur von 800° – 900°C zu erreichen.

Die 1940er fehlen. Warum?

Diese Frage stellte zum Zeitpunkt der ursprünglichen Veröffentlichung dieses Blogbeitrags, am 27. Februar 2020, für mich ein ungelöstes Rätsel dar. Mittlerweile konnte ich diese Lücke schliessen, und habe diesen Beitrag überarbeitet. Das stellt für mich einen Meilenstein dar, weshalb ich meinen ursprünglichen Beitrag hier archiviert habe.

Patentdokumente der 1940er sind kniffelig zu recherchieren

1945 wurden von den Alliierten beim Reichspatentamt in Berlin ca. 145. 000 noch nicht erledigte deutsche Patentanmeldeakten vorgefunden. Von diesen Patentanmeldungen wurden durch die amerikanischen Alliierten Mikrofilme angefertigt. Diese so genannten F.I.A.T – Filme (für „Field Intelligence Agency Technical“) wurden auf besonderen Wegen veröffentlicht und können wie andere historische Schutzrechte auch in Berlin eingesehen werden (Recherche zu historischen Schutzrechten in Berlin.) Die F.I.A.T.-Filme werden derzeit für DEPATISnet aufbereitet, weshalb sie noch nicht unbedingt von der Suche erfasst sind.

Trotz der sehr aktiven Patentpolitik von Topf & Soehne sind deshalb auf regulärem Wege keine Patentanmeldungen aus den 1940ern zu finden, keine Anmeldungen, die offenkundig mit dem industrialisierten Massenmord in Verbindung stehen. Doch die Wikipedia-Seite zur Firma Topf & Sohne liefert unter der Überschrift Patentantrag: Kontinuierlich arbeitender Leichenverbrennungsofen für Massenbetrieb den Hinweis auf eine Patentanmeldung mit der Nummer T 58240. Eine freundliche Mitarbeiterin der Info-DPMA-Auskunft konnte mir weiterhelfen und führte mich zu dem gesuchten Dokument DE000T00058240AZ. Ganz herzlichen Dank dafür! Dieses Dokument beschreibt ein Perpetuum Mobile der Leichenverbrennungstechnik: Die Verbrennung ist so effizient, dass alleine die Energie in den Leichen ausreicht, um die Verbrennung aufrecht zu erhalten. Dabei wird eine hohe Taktzahl vorausgesetzt. Während die Leichen auf schrägen Rampen nach unten rutschen, werden sie durch aufsteigende Verbrennungsgase erhitzt, entzünden sich und verbrennen.

1950er: Patent auf effiziente Leichenverbrennung

Auch das Patent DE861731 aus den 1950er Jahren beschreibt ein Perpetuum Mobile der Leichenverbrennungstechnik. Auch hier ist die Verbrennung so effizient, dass alleine die Energie in den Leichen ausreicht, um die Verbrennung aufrecht zu erhalten. Aber die Taktzahl ist nicht mehr so hoch. Die Leichen werden nicht im Rutschen verbrannt, sondern während sie „mit dem Sarg in einer Muffel auf einem Balkenrost“ über längere Zeit liegen. Hat Ernst-Wolfgang Topf gelernt, dass jedes Menschenleben kostbar ist? Man weiss es nicht. Er hat aber offenbar gelernt, dass jede Wärmeeinheit in einer Leiche kostbar ist. Deshalb schlägt das Patent eine starke Isolierschicht um einen Feuerraum mit verhältnismäßig dünner Auskleidung von geringer Wärmekapazität vor. Die chemischen Formeln und Wärmebilanzen deuten an, dass es hier um Präzisionsarbeit geht und nicht um Massenabfertigung wie in den 1940ern.

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