offener Brief an den Außenminister

Sehr geehrter Herr Steinmeier,

erlauben Sie mir, an unseren vergangenen kurzen Briefwechsel anzuknüpfen, und einmal mehr Ihre wertvolle Zeit zu beanspruchen? Sie hatten 2006 meine Fragen jeweils beantwortet, so gut es Ihnen möglich war. Erst in der Rückschau wurde mir bewusst, dass kein anderer Berufspolitiker meine Fragen so gewissenhaft beantwortete wie Sie.

Den Kontakt zu Ihnen aufgenommen hatte ich, nachdem ich mit Ihrer Reaktion auf den Nordkoreanischen Atomwaffentest vom 9.10.2006 nicht einverstanden war. Ich hatte bekrittelt, dass Sie in der Aufregung vor laufender Kamera Begriffe wie Völkerrecht und Atomwaffensperrvertrag verwechselt hatten. Heute ist mir bewusst, dass Ihre emotionale Reaktion etwas Positives bewiesen hat: Sie sind engagiert, bei der Sache, Sie spüren die Last Ihrer Verantwortung. Und Ihnen ist bewusst, dass Atomwaffen etwas gefährliches sind – insbesondere in den unkalkulierbaren Händen eines nordkoreanischen Diktators.

Ich freue mich, dass Sie als eine der konstanten Größen der Regierung wieder dem Auswärtigen Amt vorstehen. Auf diese Weise kann ich an unseren Austausch anknüpfen – jetzt da ich nach jahrelanger politischer Inaktivität den Ball wieder aufnehme und diese Seiten neu gestalte. Seit unserem letzten Austausch hat sich vieles zum besseren gewandelt. Unser wichtigster Verbündeter, die USA, hat einen klaren Richtungswechsel zu mehr Rechtsstaatlichkeit vollzogen. Die Nato ist anscheinend von Ihrem Konzept von 1999 abgerückt, Terroranschläge mit Atomwaffen verhindern zu wollen. Persönlichkeiten wie Edward Snowden wecken in breiten Bevölkerungsschichten Interesse an wichtigen Konzepten der Demokratie wie der Redefreiheit.

Und ich habe mittlerweile dazugelernt: Atomwaffen in deutschen Händen fallen nicht in Ihr Ressort. Aber trotzdem möchte ich Ihnen das Thema in Erinnerung rufen. Stehen Sie Frau von der Leyen zur Seite. Gemeinsam müssten Sie sogar noch stärker sein als einst Helmut Schmidt.

Bevor Schmidt 1969 Verteidigungsminister wurde, konnten deutsche Korpskommandeure die Freigabe der Atomwaffen anfordern, ohne dass die deutsche Regierung informiert werden musste (Quelle: süddeutsche). Hier erreichte Schmidt einen deutlichen Fortschritt. Seither plante Deutschland zwar immer noch, seine Soldaten in den Besitz von Atomwaffen zu bringen – was der Atomwaffensperrvertrag ausdrücklich verbietet. Aber die Soldaten sollten nicht mehr so einfach die uneingeschränkte Verfügungsgewalt erhalten. Das war dann auch der Status, als ich meinen Militärdienst am Atomraketenwerfer ableistete.

Sie und Frau von der Leyen können es erreichen, dass sich Deutschland zukünftig vollständig an die Buchstaben und den Geist des Atomwaffensperrvertrags hält! Damit werden Sie Vorbild sein, und andere Länder ermuntern, ebenfalls die Regeln des Atomwaffensperrvertrags zu respektieren. Sie würden damit mehr erreichen als Helmut Schmidt seinerzeit.

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