Offener Brief an Dieter Zetsche

130 Jahre Automobil¹, 65 Jahre Knautschzone², 83 Jahre Machtergreifung durch die Nazis³.

Sehr geehrter Herr Zetsche,

wie werden Sie als Vorstandsvorsitzender der Daimler AG der drei Jubiläen gedenken? (¹ 130 Jahre seit Annmeldung des Patents DE37435, ² 65 Jahre seit Anmeldung der DE854157, ³ 83 Jahre seit dem durch Hitlers Machtergreifung bewirkten Aufschwung von 1933 – nach Massenentlassungen und Kurzarbeit bei Daimler.)

War Daimler tatsächlich nur Profiteur der Machtergreifung durch die Nazis? Oder war Daimler auch (mit-) verantwortlich? Der Eigendarstellung der heutigen Daimler AG zur Folge fielen der damaligen Daimler-Benz AG im Jahr 1933 unverhofft Wettbewerbsvorteile in Form von Arbeitssklaven und Rüstungsaufträgen zu. Demnach ging der Rendite, die ab dem Jahr 1933 eingefahren wurde, keine Investition in den Faschismus vor dem Jahr 1933 voraus. Rendite ohne Investition. Das scheint doch märchenhaft! Stimmt das, oder erzählt Daimler der Welt ein Märchen, wenn Daimler behauptet, die Partnerschaft der Daimler-Benz AG mit den Nationalsozialisten hätte erst 1933 begonnen?

Nun halte ich gerade das Buch „Die Daimler-Benz AG 1928-1948. Schlüsseldokumente zur Konzerngeschichte“ in Händen. Aufgeschlagen ist die Seite 121, auf der ein Brief des Vorstands der Daimer-Benz AG, Wilhelm Kissel, vom 18.05.1932 wiedergegeben ist. Kissel schrieb demnach an den Daimler-Angestellten Jakob Werlin: „Jedenfalls haben wir keine Veranlassung, in der Aufmerksamkeit, die wir bisher Herrn Hitler und seinen Freunden zugewendet haben, nachzulassen; im Gegenteil, er wird sich auch in Hinkunft ebenso auf uns verlassen können, wie in der Vergangenheit.“

Ist dieser Brief eine Erfindung der Autoren, oder ist er nach Ihrer Kenntnis authentisch? In diesem Fall blickte Kissel 1932 bereits auf eine mit „Herrn Hitler“ geteilte Vergangenheit zurück. Dann kann die Nazi Ära für Daimler-Benz unmöglich erst 1933 begonnen haben.

Die bei Wikipedia angegebene Geschichte, Kissel sei ein erklärter Gegner der Nazis gewesen, kann ich mir übrigens gut vorstellen. Der Vorstand gerät natürlich in eine schwierige Situation, wenn es für den Profit der ihm anvertrauten AG nötig scheint, einer Verbrecherbande an die Macht zu verhelfen. Dahinter mag eine spannende und tragische Geschichte stehen. Das ergäbe vielleicht sogar einen Stoff für Hollywood.

Um den Bogen in die Gegenwart zu schlagen: Mit der Neuerfindung des Terrorismus 2001 wurde der weltweite Markt für Kriegswaffen neu belebt. Inwieweit profitieren die Daimler AG und mit ihr verbundene Unternehmen und inwieweit ist die Daimler AG für den Krieg „gegen den Terror“ mitverantwortlich? Hatte die seinerzeitige DaimlerChrysler AG in den Wahlkampf des 43. Präsidenten der USA investiert?

Ich hoffe, ich konnte Ihr Interesse an diesen mir auch heute noch relevant erscheinenden Themen wecken, und verbleibe

mit freundlichen Grüßen Felix Lübeck

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