Adieu BlueMotion

Still und heimlich hat VW den Ultra-Spardiesel Polo BlueMotion aus dem Programm gestrichen. (Sebastian Viehmann auf focus.de)

Ich werde ihn vermissen. Gerade bin ich mit einer Tankfüllung 1003 KM weit gekommen. Mit einem Polo TDI BlueMotion Jahrgang 2008, also dem Vorvorgänger. Das macht 4,4 Liter auf 100 KM, und eine wirklich erfreuliche Reichweite. Ohne seine ärgerlichen Mängel würde ich meinen Polo uneingeschränkt weiterempfehlen.

Wenn BlueMotion nicht nur ein Markenname wäre, sondern ein Konzept, dann würde ich befürchten: Das Konzept ist gescheitert. Tatsächlich wurde jedoch eine zukunftsweisende Technik entwickelt, diese aber ohne erkennbares Konzept auf den Kunden losgelassen.

Ein vernünftiges Konzept würde auf dem Gedanken aufsetzen, dass ein Käufer eines Ultra-Spardiesel spritsparend fahren möchte. Ihm sollten bei einer spritsparenden Fahrweise nicht die Bremsen vergammeln. Zudem sollte die Betriebsanleitung präzise Erklärungen enthalten, die ihm helfen, eine spritsparende Fahrweise zu erreichen. Doch dem Käufer des Ultra-Spardiesel wurde die gleiche Betriebsanleitung geliefert wie demjenigen eines Benziners. Auf Papier wie im Internet. Der Kunde gibt auf vw-bordbuch.de die individuelle Fahrgestellnummer seines Wagens ein, um dann eine unspezifische, unpräzise und teilweise schlicht falsche Anleitung zu erhalten (in einer extrem upraktischen, nur während einer Online-Verbindung verfügbaren Form. Warum keine PDF-Datei?) Ein paar Zitate aus dem Stand von 2014 – laut Werkstatt meines Vertrauens noch aktuell. Meine Anmerkungen sind kursiv:

  • „Diese Betriebsanleitung ist für alle Modelle und Ausführungen des Polo gültig.“ VW macht sich nicht die Mühe, jeweils passende Anleitungen zu produzieren. Meinen Glückwunsch zu dem in der Produktion gesparten Euro!
  • „Schneller schalten
    Grundsätzlich gilt: Der höhere Gang ist immer der sparsamere Gang. Als Faustregel gilt bei den meisten Fahrzeugen: Bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h (19 mph) im 3. Gang fahren, mit 40 km/h (25 mph) im 4. Gang und mit 50 km/h (31 mph) bereits im 5. Gang.“
     Da die meisten Fahrzeuge Benziner sind, ist diese Aussage zwar technisch korrekt, aber für den Fahrer eines  Diesels und insbesondere eines Turbo-Diesels irreführend oder zumindest nicht hilfreich.
    Während bei Tempo 70 im Benziner tatsächlich der 5. Gang die richtige Wahl ist, hat ein Diesel dann im 4. Gang seinen niedrigsten Verbrauch. Das lässt sich am Verbrauchskennfeld eines Dieselmotors ablesen (oberhalb von 1500 U/min ist der Verbrauch geringer als unterhalb. Dieselmotoren haben ein anderes Verbrauchskennfeld als Benziner!) Und der Blick auf die Verbrauchsanzeige bestätigt das. Zumindest im Polo TDI BlueMotion Jahrgang 2008. 
  • „Aktives Zylindermanagement (ACT®)
    Je nach Fahrzeugausführung kann das Fahrzeug über das aktive Zylindermanagement (ACT) verfügen.“
     Für den Kunden wäre es an dieser Stelle interessant zu wissen, ob sein Fahrzeug über ACT verfügt, und welche Folgerung sich daraus ergeben.
  • „Gelassen und gleichmäßig fahren
    Wichtiger als die Geschwindigkeit ist die Konstanz: Je gleichmäßiger gefahren wird, desto geringer ist der Kraftstoffverbrauch.“
    Das ist nach meiner Kenntnis nur bei Fahrzeugen mit ACT richtig. Grund: Der Motor arbeitet ohne ACT bei dem empfohlenen Stil im Schwachlastbetrieb mit suboptimalen Wirkungsgrad. Pendeln zwischen Beschleunigung und Ausrollen kann bei Fahrzeugen mit Schubabschaltung den Verbrauch senken. Gleichmäßig fahren ist für den Fahrer und seine Umgebung aber meist angenehmer, deshalb würde ich das Pendeln kaum weiterempfehlen.

Als unspezifische, unpräzise Anleitung fürs spritsparende Fahren empfehle ich diese Broschüre des Umweltamtes Wiesbaden. Sie ist zwar ebenfalls auf Benziner zugeschnitten, und inhaltlich nicht besser, aber handlicher als die VW Betriebsanleitung.

Meine Beiträge Verbrauchsrekorde sowie Tempo 70 sollten ebenfalls weiterhelfen.

Wer es genauer wissen möchte, dem bleibt anscheinend nur der Weg zu Volkswagen Driving Experience. Dort fällt das „Think Blue. Ecotraining“ (Seite 24 im Katalog von 2016) dadurch unangenehm auf, dass es nicht einfach buchbar ist. Aber es existiert noch. Immerhin. Kosten: über Tausend Euro für bis zu 6 Teilnehmer.

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